Quelle: Passauer Neue Presse
Bericht im Auszug
Für Stephan Pilsinger herrscht wegen der geplanten
Krankenhausreform der Bundesregierung Alarmstufe Rot. Der
Gesundheitsexperte der CSU-Landesgruppe im Bundestag hat die
Auswirkungen auf Ostbayern recherchiert – stützt sich dabei auf die
Vorschläge der Expertenkommission, die Bundesgesundheitsminister
Karl Lauterbach eingesetzt hat.
Reihenweise würden in den Krankenhäusern der Region die Fachrichtungen
für Gynäkologie und Geburtshilfe, Hals-, Nasen und Ohrenerkrankungen
oder Urologie dezimiert, sagt er. ...
„Dieser Kommissionsvorschlag ist eine absolute
Katastrophe“, sagt er.
...
Gesundheitsregion 2. Klasse
Das Problem haben auch Andere auf dem Schirm. „In Bayern bleiben nur 17
Prozent der Krankenhäuser übrig, deren Leistungsspektrum nicht
beschnitten wird“, warnt Klaus Emmerich, Verantwortlicher der
Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern – und als ehemaliger
Vorstand der Landkreiskrankenhäuser Sulzbach-Rosenberg ein Kenner der
Materie und der Region. Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung
wie die Sana Kliniken in Cham, das Kreiskrankenhaus Wörth oder das
Krankenhaus Tirschenreuth müssten mit massiven Einschnitten rechnen.
Emmerich zählt auf: Kardiologie, Geburtshilfe, Unfall- und Handchirurgie
oder Gefäßchirurgie würden entfallen, da nur noch eine Basisbehandlung in
der inneren Medizin sowie im Bereich der Chirurgie übrig bleiben würden.
„Jede Art von Spezialisierung entfällt.“ Im Bereich der Geburtsmedizin
könnte die Reform bedeuten, dass es künftig statt 137 nur noch 52
Geburtsstationen in Bayern gibt. „Und damit wohl mehr Entbindungen in
Taxis“, merkt Emmerich ironisch.
In Bezug auf die Krankenhäuser Oberviechtach (Lkr. Schwandorf) und
Kemnath (Lkr. Tirschenreuth) rechnet der ehemaligen Klinikvorstand mit
verheerenden Versorgungslücken für die Bürger. Bei einer offenbar
geplanten Herabstufung sogar in das Level 1i wäre nicht einmal mehr eine
ärztliche Versorgung rund um die Uhr gewährleistet. „Man muss es deutlich
sagen: Level 1i, das sind keine Krankenhäuser mehr. Ihnen fehlt die ärztliche
Verfügbarkeit rund um die Uhr an sieben Tagen die Woche, eine stationäre
Notaufnahme sowie eine Intensivstation für klinische Notfälle. Wir reden
hier von circa 650 der knapp 1900 verbliebenen Krankenhäuser in
Deutschland, die geschlossen und im Grunde in bessere Pflegeheime
umgewandelt werden sollen.“ Damit würden ländliche Regionen „zu
Gesundheitsregionen zweiter Klasse degradiert“. Emmerich nennt akute
Notfälle, die nicht mehr rasch vor Ort erstversorgt werden könnten. „Das
können Entscheidungen auf Leben und Tod sein.“
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek ist ebenfalls in
Habachtstellung. Der Freistaat werde nicht zulassen, dass die wohnortnahe
Versorgung durch Berliner Pläne untergraben werde, warnte er zuletzt.
„Niemandem ist in einem Notfall damit gedient, wenn das nächste
Krankenhaus zwar top ausgestattet, aber leider 120 Kilometer entfernt ist.“
Projektstudie
Bewertung der Grundlegende Reform der Krankenhausvergütung der Regierungskommission
Prognose über die Zukunft deutscher Krankenhäuser
Lauterbachs Regierungsreform plant klinische Medizin zweiter Klasse an 293 bayerischen Klinikstandorten
Bayern ist als Flächenstaat mit überwiegenden Krankenhäusern der Grund -und Regelversorgung und großen Entfernungen zum nächstgelegenen Krankenhaus von Lauterbachs Krankenhausreform massiv betroffen. 293 der 351 Krankenhäuser , immerhin 83%, werden durch die geplante Strukturierung der Krankenhäuser in Level und Leistungsgruppen das Leistungsangebot massiv kürzen müssen. Die flächendeckende klinische und medizinische Versorgung in Bayern ist hochgradig gefährdet. Schon jetzt darf eine massive klinischen Unterversorgung in Bayern konstatiert werden – in 115 Postleitzahlregionen erreichen die Einwohner ein nächstgelegenes Allgemeinkrankenhaus nur in mehr als 30 und z.T. 40 Fahrzeitminuten. Das ist bei eskalierendem klinischen Notfall ein Spiel auf Leben und Tod.
Nun aberr wird es noch schlimmer!
Lediglich 58 Krankenhäuser der bisherigen Schwerpunkt-und Maximalversorgung einschließlich Universitätskliniken, zukünftig Krankenhäuser Level 2 und Level 3, werden dann eine hochwertige klinische Medizin anbieten. Das sind gerade 17% der bayerischen Krankenhäuser, überwiegend in Ballungsgebieten. Die ländlichen Regionen dagegen werden medizinisch abgehangen.
Konkret: 143 der 351 bayerischen Krankenhäuser, immerhin 40%, verfügen heute über keine zertifizierte Notfallversorgung nach den strengen Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses. Sie werden geschlossen und in Gesundheitszentren Level 1i ohne Notfallversorgung unter pflegerischer Leitung und ohne durchgehende ärztliche Betreuung umgewandelt. Das sind dann keine Krankenhäuser mehr. Ihnen fehlen notwendige Ausstattungen wie Intensivstation, klinische Notaufnahme, Schockraum, MRT sowie notwendiges klinisches Fachpersonal für eskalierende klinische Krankheitsverläufe. Sie können auch keine Ärzte und Pflegekräfte praktisch ausbilden. Bereitschaftspraxen an diesen Krankenhäusern werden schließen. Das Angebot der herabgestuften Gesundheitseinrichtungen Level 1i reduziert sich auf eine Kurzzeitpflege mit sporadischer ärztlicher Betreuung zu üblichen werktäglichen Arbeitszeiten.
150 der 351 bayerischen Krankenhäuser, immerhin 43%, verfügen heute über die zertifizierte Basisnotfallversorgung. Sie dürfen als Krankenhäuser des Level 1n zukünftig nur eine unbedeutende klinische Basisversorgung anbieten. Lediglich 13 der geplanten 128 Leistungsgruppen, d.h. gut 10%, verbleiben diesen Allgemeinkrankenhäusern vorbehalten, mit fatalen Folgen. Wichtige klinische Angebote bayerischer Allgemeinkrankenhäuser wie beispielsweise Gastroenterologie, Kardiologie, Herzkathetermessplatz, Viszeralchirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie, Knie- und Hüftendoprothetik oder Wirbelsäulenchirurgie bleiben dann den Ballungszentren vorbehalten. Aufgrund fehlender oder unbesetzter Kassensitze in ländlichen Regionen Bayerns haben die Allgemeinkrankenhäuser für diese Fachgebiete vielfach auch die ambulante medizinische Versorgung übernommen. Jetzt droht der Zusammenbruch ländlicher fachärztlicher Versorgung insgesamt, ambulant und stationär.
Die wohl größte Katastrophe aus medizinischer Sicht ist der Ausschluss der zukünftigen Krankenhäuser Level 1n von der Geburtshilfe. Bisher konnten 137 bayerische Krankenhäuser die Geburtshilfe anbieten. Zukünftig werden es 58 Krankenhäuser des Level 2 und Level 3 in Ballungszentren sein, eine Verringerung um 58%.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und seiner Regierungskommission muss der Vorwurf gemacht werden, dass sie strukturelle Auswirkungen der Krankenhausreform auf dünn besiedelte ländliche Regionen komplett aus dem Blick verloren haben. Patienten werden bei gravierenden Erkrankungen in weit entfernte Krankenhäuser verlegt. Besuchsmöglichkeiten werden durch die Entfernungen drastisch erschwert. Geburten auf der Straße werden realistischer. Fachpersonal wird die Gesundheitseinrichtungen Level 1i ohne Notfallversorgung mangels Attraktivität des Arbeitsplatzes, Karrierechancen und Weiterbildungsmöglichkeiten verlassen. Die klinischen Betten der 143 geschlossenen Krankenhäuser werden bei Pandemien und anderen Katastrophen fehlen. Krankenhäuser fehlen für die praktische Ausbildung junger Ärzte und Pflegekräfte.
In Bayern sind nur 17% Krankenhäuser dem Level 2 bzw. 3 zugeordnet, im Bundesdurchschnitt sind es knapp 23% der Krankenhäuser. In Bayern reduzieren sich die Krankenhäuser mit Geburtshilfe auf von 39% auf 17%, im Bundesdurchschnitt dagegen von 43% auf 23%. Bayern droht eine beispiellose klinische Versorgungskrise!
Klaus Emmerich, Klinikvorstand i.R. Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern